Hickey, Birgit: Wie die Familie unser Leben bestimmt - Genogramm und systemische Aufstellungen, Carl Auer, 2023, 359 S., Kt.
mit 78 z. T. farbigen Abbildungen, 49 €.

Meiner Aufstellungs-Kollegin, Dr. Birgit Hickey, ist mit ihrem Fachbuch ein großartiges neues Standardwerk und ein sehr nützliches Hilfsmittel für alle Aufsteller:innen, Ärzt:innen, Psychotherapeut:innen, Familientherapeut:innen, Paartherapeut:innen und Lebensberater:innen gelungen, das nicht nur für Fachleute, sondern auch für interessierte Laien gut lesbar ist.

Sie zeigt gut nachvollziehbar auf, wie sehr viele unterschiedliche körperliche und psychische (Krankheits-)Symptome ihren Ursprung in seelischen Repräsentationen von Schicksalen und Leid von Familienmitgliedern haben (können). Ebenso belegt sie, wie Herausforderungen und Schicksalsaufgaben, vor denen Familienmitglieder standen oder an denen diese gescheitert sind, unbewusst stellvertretend von späteren Mitgliedern im Familiensystem übernommen werden.

Das Buch liefert eine Anleitung zum Erstellen eines Genogramms (Familienstammbaum mit Vermerken zu besonderen Ereignissen) und zur sehr wichtigen Genogramm-Analyse. In vielen Beispielen aus ihrer medizinisch-therapeutischen Praxis schildert sie die damit aufgedeckten Zusammenhänge, den Ablauf von Aufstellungen und deren Lösungen.

Hickeys Verdienst besteht darin, dass sie die Zusammenhänge von Ereignissen in der Familienhistorie und daraus resultierenden übernommenen Stellvertretungsaufgaben auf allen Ebenen aufzeigt. Damit liefert sie wichtige Hinweise darauf, aus welchen Gründen manche Familien- und Familienstruktur-Aufstellungen erfolgreich sein können und andere (zu diesem Zeitpunkt) eher weniger.

Systemische Belastungen können in einer bestimmten Reihenfolge gesucht und aufgelöst werden: Stellvertretungen auf der (horizontalen) Geschwisterebene, im Gegenwartssystem,  Stellvertretungen auf der (vertikalen) Vorfahren-Ebene, im Herkunftssystem und Stellvertretungen im Partnersystem (horizontal und vertikal). Je nach Anliegen und individueller Vorgeschichte kann unterschiedlich gestartet werden.

Insbesondere bei Beziehungsproblemen in Partnerschaften wird oft übersehen:
„Bei der Betrachtung von Paarproblemen scheint es so zu sein, dass die Themen aus den jeweiligen eigenen Herkunftssystemen der Partner Vorrang haben gegenüber dem gemeinsamen Gegenwartssystem.“ Das bedeutet: „Erst wenn die ungelösten Themen aus den jeweils eigenen Familiensystemen beider Partner von ihnen bearbeitet und aufgelöst sind, >darf< bzw. kann das Paar-Glück in der Gegenwart eintreten.“ (Birgit Hickey, S. 150, Kapitel Paarprobleme)

Genauso wichtig und wertvoll sind auch die Aussagen über Erkenntnisse, wer wessen Schicksalsaufgabe repräsentiert. Dabei gibt es eindeutige Unterschiede zwischen erstgeborenen, zweitgeborenen und weiteren Kindern. Elementar wichtig ist das Beachten der Rangfolge der Kinder, wenn „verlorene Kinder“ (abgegangenen Embryos und Föten, Fehlgeburten, Totgeburten und die spätere Generationen oft besonders belastenden Abtreibungen) in der Familie vorkommen.

Besonders herausfordernd kann es werden, die Stellvertretungsaufgaben von Kindern zu ermitteln, wenn die Eltern nicht mehr zusammenleben, mit neuen Partnern weitere Kinder haben, also Halbgeschwister hinzugekommen sind, oder gar die komplexen Situationen von "Patchwork-Familien" zu analysieren.

Auffallend ist bei den Fallschilderungen der Autorin, wie sie immer wieder einen nahezu exakten Altersbezug zwischen dem Auftreten von Problemen bei einem Klienten und dem Alter des Repräsentierten beim Eintritt des auslösenden Ereignisses in der Vergangenheit nachweisen kann. Es lohnt sich daher bei der Genogramm-Analyse, darauf besonders zu achten.

Obwohl sich die Autorin immer auf die jahrelangen Erfahrungen aus ihrer Praxis bezieht, belegt sie jede Erkenntnis und Schlussfolgerung immer mit einer Vielzahl von Literaturhinweisen auf Publikationen im Bereich der systemischen Arbeit. Erwähnens- und lobenswert ist auch die sehr vorsichtige Ausdrucksweise von Birgit Hickey. Sie hält sich streng an wissenschaftliches Arbeiten und stellt keine Verallgemeinerungen oder absolute Feststellungen auf, sondern weist auf hohe Wahrscheinlichkeiten hin und betont immer, generelle Aussage im individuellen Fall kritisch zu überprüfen.

Fazit:
Ein in jeder Hinsicht auch für Experten der Aufstellungsarbeit sehr lohnendes neues Fachbuch, das auch bei vermeintlicher medizinischer und psychoanalytischer Therapieresistenz Lösungs- (Heilungs-)möglichkeiten erschließt. Vor allem hilft es vielen Menschen zu erkennen, dass ihre (Krankheits-) Symptome keine rein medizinisch-körperlichen Ursachen haben, sondern durch meist unbewusste und teils lange zurückliegende, traumatische (oft kriegsbedingte) Schicksals-Erlebnisse im Familiensystem verursacht sind, die sich mit Hilfe der Genogramm-Analyse aufdecken und mit Hilfe von Aufstellungen auflösen lassen.

Zusammengefasst
:
In leicht verständlicher Sprache bietet es themenspezifische Gesprächsführung, Genogramm- und Aufstellungsarbeit unter einem Dach, verbindet familienbiografische Genogramm-Analyse und Stellvertretungs-Ordnungen zu hochwirksamen Interventionen.

Die familienbiografische Genogramm-Analyse bietet ein lösungsfokussiertes Instrument, das sich besonders für vermeintlich therapieresistente Probleme eignet. Das Genogramm liefert nachvollziehbare Daten und Fakten in standardisierter und übersichtlicher Form. Auf ihrer Grundlage können Hypothesen zur Entstehung des Problems und zu Zusammenhängen im System gebildet werden, die sich dann in Aufstellungen überprüfen und sogar meist auflösen lassen.

Unerklärliche körperliche und psychische Symptome, Kontaktabbrüche in der Familie, Beziehungsprobleme in der Partnerschaft, mit Kindern, Eltern, Kollegen, Chefs und Mitarbeitern können auf diese Weise z. B. mit Traumata oder Verlusten in Verbindung gebracht werden, die im Familiensystem aufgetreten sind. Einmal erkannt, können sie dann zielgerichtet bearbeitet werden.

Zur Autorin:

Birgit Hickey, Dr. med., Dipl.-Biol.; Fachärztin für Allgemeinmedizin; anerkannte Systemaufstellerin und Lehrtherapeutin; Aus- und Weiterbildungen u. a. in systemischer Familientherapie, familienbiografischer Genogrammarbeit, systemischen Strukturaufstellungen, lösungsfokussierter Kurzzeittherapie, hypnotherapeutischer und -systemischer Kommunikation; systemischer Mediation; NLP (Lehrtrainerin). Seit 1992 niedergelassen in eigener Praxis, seit 1993 Kommunikationstrainerin für Praxen und Kliniken.

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www.RAS-Training.de/neu/coaching/aufstellungen/frameset_aufstellungen.htm

www.RAS-Training.de/resourcing/frame_aufstellungen.htm

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