Meiner Aufstellungs-Kollegin, Dr. Birgit Hickey,
ist mit ihrem Fachbuch ein großartiges neues Standardwerk und ein sehr
nützliches Hilfsmittel für alle Aufsteller:innen, Ärzt:innen,
Psychotherapeut:innen, Familientherapeut:innen, Paartherapeut:innen und
Lebensberater:innen gelungen, das nicht nur für Fachleute,
sondern auch für interessierte Laien gut lesbar ist.
Sie zeigt gut nachvollziehbar auf, wie sehr viele unterschiedliche
körperliche und psychische (Krankheits-)Symptome ihren Ursprung in
seelischen Repräsentationen von Schicksalen und Leid von
Familienmitgliedern haben (können). Ebenso belegt sie, wie
Herausforderungen und Schicksalsaufgaben, vor denen Familienmitglieder
standen oder an denen diese gescheitert sind, unbewusst stellvertretend
von späteren Mitgliedern im Familiensystem übernommen werden.
Das Buch liefert eine Anleitung zum Erstellen eines Genogramms
(Familienstammbaum mit Vermerken zu besonderen Ereignissen) und zur sehr
wichtigen Genogramm-Analyse. In vielen Beispielen aus ihrer
medizinisch-therapeutischen Praxis schildert sie die damit aufgedeckten
Zusammenhänge, den Ablauf von Aufstellungen und deren Lösungen.
Hickeys Verdienst besteht darin, dass sie
die Zusammenhänge von Ereignissen in der Familienhistorie und daraus resultierenden übernommenen
Stellvertretungsaufgaben auf allen Ebenen aufzeigt. Damit liefert sie
wichtige Hinweise darauf, aus welchen Gründen manche Familien- und
Familienstruktur-Aufstellungen erfolgreich sein können und andere (zu
diesem Zeitpunkt) eher weniger.
Systemische Belastungen können in einer bestimmten
Reihenfolge gesucht und aufgelöst werden: Stellvertretungen auf der
(horizontalen) Geschwisterebene, im Gegenwartssystem,
Stellvertretungen auf der (vertikalen) Vorfahren-Ebene, im
Herkunftssystem und Stellvertretungen im Partnersystem (horizontal und
vertikal). Je nach Anliegen und individueller Vorgeschichte kann
unterschiedlich gestartet werden.
Insbesondere bei Beziehungsproblemen in Partnerschaften wird oft
übersehen:
„Bei der Betrachtung von Paarproblemen scheint es so zu sein, dass die
Themen aus den jeweiligen eigenen Herkunftssystemen der Partner Vorrang
haben gegenüber dem gemeinsamen Gegenwartssystem.“ Das
bedeutet: „Erst wenn die ungelösten Themen aus den jeweils eigenen
Familiensystemen beider Partner von ihnen bearbeitet und aufgelöst sind,
>darf< bzw. kann das Paar-Glück in der Gegenwart eintreten.“ (Birgit Hickey, S. 150, Kapitel Paarprobleme)
Genauso wichtig und wertvoll sind auch die Aussagen über Erkenntnisse,
wer wessen Schicksalsaufgabe repräsentiert. Dabei gibt es eindeutige
Unterschiede zwischen erstgeborenen, zweitgeborenen und weiteren
Kindern. Elementar wichtig ist das Beachten der Rangfolge der Kinder,
wenn
„verlorene Kinder“ (abgegangenen Embryos und Föten, Fehlgeburten,
Totgeburten und die spätere Generationen oft besonders belastenden
Abtreibungen) in der Familie vorkommen.
Besonders herausfordernd kann es werden, die Stellvertretungsaufgaben
von Kindern zu ermitteln, wenn die Eltern nicht mehr zusammenleben, mit
neuen Partnern weitere Kinder haben, also Halbgeschwister hinzugekommen
sind, oder gar die komplexen Situationen von "Patchwork-Familien" zu
analysieren.
Auffallend ist bei den Fallschilderungen der Autorin, wie sie immer
wieder einen nahezu exakten Altersbezug zwischen dem Auftreten von
Problemen bei einem Klienten und dem Alter des Repräsentierten beim
Eintritt des auslösenden Ereignisses in der Vergangenheit nachweisen
kann. Es lohnt sich daher bei der Genogramm-Analyse, darauf besonders zu
achten.
Obwohl sich die Autorin immer auf die jahrelangen Erfahrungen aus ihrer
Praxis bezieht, belegt sie jede Erkenntnis und Schlussfolgerung immer
mit einer Vielzahl von Literaturhinweisen auf Publikationen im Bereich
der systemischen Arbeit. Erwähnens- und lobenswert ist auch die sehr
vorsichtige Ausdrucksweise von Birgit Hickey. Sie hält sich streng an
wissenschaftliches Arbeiten und stellt keine Verallgemeinerungen oder
absolute Feststellungen auf, sondern weist auf hohe Wahrscheinlichkeiten
hin und betont immer, generelle Aussage im individuellen Fall kritisch
zu überprüfen.
Fazit:
Ein in jeder Hinsicht auch für Experten der Aufstellungsarbeit sehr
lohnendes neues Fachbuch, das auch bei vermeintlicher medizinischer und
psychoanalytischer Therapieresistenz Lösungs- (Heilungs-)möglichkeiten
erschließt. Vor allem hilft es vielen Menschen zu erkennen, dass ihre
(Krankheits-) Symptome keine rein medizinisch-körperlichen Ursachen
haben, sondern durch meist unbewusste und teils lange zurückliegende,
traumatische (oft kriegsbedingte) Schicksals-Erlebnisse im Familiensystem
verursacht sind, die sich mit Hilfe der Genogramm-Analyse aufdecken und
mit Hilfe von Aufstellungen auflösen lassen.
Zusammengefasst:
In leicht verständlicher Sprache bietet es themenspezifische
Gesprächsführung, Genogramm- und Aufstellungsarbeit unter einem Dach,
verbindet familienbiografische Genogramm-Analyse und
Stellvertretungs-Ordnungen zu hochwirksamen Interventionen.
Die familienbiografische Genogramm-Analyse bietet ein
lösungsfokussiertes Instrument, das sich besonders für vermeintlich
therapieresistente Probleme eignet. Das Genogramm liefert
nachvollziehbare Daten und Fakten in standardisierter und
übersichtlicher Form. Auf ihrer Grundlage können Hypothesen zur
Entstehung des Problems und zu Zusammenhängen im System gebildet werden,
die sich dann in Aufstellungen überprüfen und sogar meist auflösen
lassen.
Unerklärliche körperliche und psychische Symptome, Kontaktabbrüche in
der Familie, Beziehungsprobleme in der Partnerschaft, mit Kindern,
Eltern, Kollegen, Chefs und Mitarbeitern können auf diese Weise z. B.
mit Traumata oder Verlusten in Verbindung gebracht werden, die im
Familiensystem aufgetreten sind. Einmal erkannt, können sie dann
zielgerichtet bearbeitet werden.
Zur Autorin:
Birgit Hickey, Dr. med., Dipl.-Biol.; Fachärztin
für Allgemeinmedizin; anerkannte Systemaufstellerin und Lehrtherapeutin;
Aus- und Weiterbildungen u. a.
in systemischer Familientherapie,
familienbiografischer Genogrammarbeit, systemischen
Strukturaufstellungen, lösungsfokussierter Kurzzeittherapie,
hypnotherapeutischer und -systemischer Kommunikation;
systemischer Mediation; NLP (Lehrtrainerin). Seit 1992
niedergelassen in eigener Praxis, seit 1993 Kommunikationstrainerin für
Praxen und Kliniken. |