1.
Leiter ist unter seinen Mitarbeitern „versteckt"
oder „untergetaucht"
Diese
Leiter stehen in Aufstellungen ohne Überblick mitten unter den oft
desorientierten und wenig aufeinander bezogenen Mitarbeitern, als
wollten sie nicht auffallen, und von außen kann man nicht feststellen,
dass sie eine Leitungsfunktion haben.
Ein
Beispiel: In einer
Aufstellung stand der Leiter der Abteilung einer großen
Telekommunikationsfirma mitten unter den Mitarbeitern. Die meisten von
ihnen standen in seinem Rücken, und er schaute durch eine Lücke
zwischen zwei Mitarbeitern ins Freie. Die Information war, dass der
Abteilungsleiter diese Position wegen bestimmter fachlicher Qualitäten
erhalten hatte und nicht wegen seiner Führungsqualitäten und dass er
sich in seiner Arbeit ganz auf den Entwicklungsbereich konzentrierte.
Von den Leitungsaufgaben fühlte er sich völlig überfordert und hatte
diese ganz seinem Stellvertreter überlassen. Dieser stand auch in der
Aufstellung an einem wesentlich kraftvolleren Platz. Wenn so genannte
„demokratische Teams" aufgestellt werden, entstehen oft ähnliche
Bilder.
2.
Aufschauende Leiter
Diese Leiter blicken in
Aufstellungen den Mitarbeitern abgewandt, oder manchmal ihnen sogar den
Rücken zukehrend, zu ihren Vorgesetzten. Entweder suchen sie dort
Unterstützung, wollen sich rückversichern oder orientieren sich
aufschauend an ihnen, und versuchen, es ihnen recht zu machen. Die
Mitarbeiter fühlen sich vernachlässigt und ohne Halt.
3.
Herakles oder Atlas?
Diese Leiter stehen in
Aufstellungen im Zentrum einer Aufstellung mitten im System, und die
Mitarbeiter blicken alle auf sie. Es sind meist Workaholics, die sich um
alles selbst kümmern, schlecht delegieren können, keine Übersicht und
keinen Abstand haben, schlecht Prioritäten setzen können und der
Ansicht sind, sie müssten alles selbst machen und könnten es auch am
besten (s. auch Robinson 2000).
4.
„Halbleiter"
Diese
Leiter haben nur einen Teil der Mitarbeiter im Blick. Nach Fusionen kann
man solche Konstellationen oft in Aufstellungen beobachten, aber auch
bei Teamspaltungen (in Alte und Neue; in „Konservative" und „Progressive"
etc.).
5. Graue
Eminenzen und unernannte Leiter in „leiterlosen" Teams
Durch die Aufstellung eines
„leiterlosen" Teams, oder wenn es zwei gleichgestellte Leiter
gibt, wird oft sofort klar, wer oder welches Subsystem Einfluss besitzt,
und wer mehr oder weniger heimlich leitet.
6.
Galionsfiguren und Drahtzieher im Hintergrund
Manche Leiter werden als
Galionsfiguren benutzt. Sie haben offiziell Leitungsfunktionen, werden
aber aus dem Hintergrund von Anderen, Einflussreicheren gelenkt.
Ein Beispiel: Ein
Beratungsteam riet dem Geschäftsführer einer Firma zu einer
Umorganisierung. Der Rat war, eine neue Hierarchieebene von
Abteilungsleitern einzuziehen und fünf Abteilungen zu bilden. Ein
weiterer Berater wurde später engagiert, weil die Zusammenarbeit in
einer der Abteilungen nicht klappte. Er stellte zu seiner eigenen
Supervision diese Abteilung und sich als deren Berater auf. Das
Aufstellungsbild verriet sofort, dass der frisch ernannte
Abteilungsleiter diesen Arbeitsbereich aus seiner Position nicht leiten
konnte. Er stand am weitesten links der etwa in einem Halbkreis
stehenden Mitarbeiter, und der Stellvertreter des Geschäftsführers des
Unternehmens stand auf dem Leiterplatz ganz rechts und ganz dicht an
diesem Subsystem. Auf Nachfragen wurde deutlich, dass der
Geschäftsführer zwar formal die Umstrukturierung durchgeführt hatte,
sich aber weiter ganz für die Leitung der Abteilungen zuständig
fühlte. So hatte er zum Beispiel entschieden, dass in dieser Abteilung
zwei verdiente Mitarbeiter (von fünf!) weiterhin nur ihm unterstellt
sein sollten.
Bei
Leitern, deren Stellvertreter sich in Aufstellungen stark fühlen, von
den Mitarbeitern aber als schwach eingeschätzt werden, ist es gut,
ebenfalls nach einflussreichen Verbündeten zu fahnden.
7.
Mangelnde Unterstützung im Hintergrund
Anerkennen die Mitarbeiter in
einer Aufstellung ihren Leiter, und fühlt sich dieser dennoch wenig
stabil und standfest an seinem Platz, ist es gut, die nächste(n)
Hierarchieebene(n) mit aufzustellen. Oft wird dann offenbar, dass Leiter
von ihren Vorgesetzten nicht unterstützt oder sogar behindert und
geschwächt werden. Eventuell fehlt in solchen Fällen aber auch die
Unterstützung einer wichtigen Beziehungsperson aus der Familie (z. B.
eines Elternteils), und wenn diese in der Aufstellung hinter ihn
gestellt wird, steht er als Leiter kraftvoller da.
8. Berater
als Manager
In Aufstellungen, in denen wir
auch die Berater von Unternehmen mit aufstellen, wird oft deutlich, dass
Berater häufig Managementfunktionen wahrnehmen, und dann keine
Außenperspektive mehr zum Gesamtgeschehen einnehmen können. Sie sind
Handelnde und Involvierte geworden, stehen in Aufstellungen meist mit im
Innenkreis des Systems, und ihre Stellvertreter fühlen sich zuständig
und aktionsbereit.
Beispiel: Die
Stellvertreterin einer Beraterin eines großen Sozialamtes, die in der
Aufstellung mittendrin stand, sagte, als sie nach ihrem Befinden an
ihrem Platz gefragt wurde: „Hier muss bald etwas geschehen, und ich
würde sofort die Ärmel aufkrempeln!"
9.
Demotivierte Leiter
Enttäuschte Leiter, deren
Blütenträume nicht reiften, oder solche, die zurückgestuft wurden
oder sich ungerecht behandelt fühlen, sitzen oft nur noch ihre Zeit ab,
warten auf die Pensionierung und boykottieren verdeckt neue
Entwicklungen. In Aufstellungen schauen sie oft gelangweilt oder
uninteressiert nach draußen.
Organisationsaufstellungen
unterstützen die Auffassung, dass es weder für das Arbeitssystem noch
für die Betroffenen selbst gut ist, wenn jemand nach einer Degradierung
oder Herabstufung weiterhin in dem System arbeitet, in dem er
Leitungsfunktionen innehatte, es sei denn, das Zurücktreten ins Glied
wurde von ihm selbst angestrebt. Besser, so stellt es sich auch in
Aufstellungen heraus, ist es, wenn die Betroffen ganz gehen oder
zumindest in eine andere Abteilung der Organisation versetzt werden,
aber auch das schwächt sie schon.
Quelle und copyright:
Gunthard Weber, Organisationsaufstellungen: Basics und Besonderes,
in: Gunthard Weber (Hrsg.), Praxis der Organisationsaufstellungen,
Grundlagen, Prinzipien, Anwendungsbereiche,
Carl-Auer-Systeme Verlag, Heidelberg,
2. korr. Aufl. 2002, S. 34 ff, Anhang II, S. 85ff.
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